Erklärungen von sog. Zwangskörperschaften

Mit Urteil vom 24.06.2010 (8 C 20.09) befasste sich das Bundesverwaltungsgericht erneut mit der Zulässigkeit von Erklärungen einer sog. Zwangskörperschaft, im entschiedenen Fall einer Industrie- und Handelskammer, zu Themen der Bildungs-, Forschungs-, Umwelt-, Energie- und Verkehrspolitik.

Problematisch sind diese Erklärungen, weil die Mitgliedschaft in der Kammer nicht freiwillig ist. Erklärungen der Kammer werden für alle Mitglieder abgegeben. Kammermitglieder können sich dem nicht durch einen Austritt entziehen. Der Umfang zulässiger Erklärungen ist daher umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht bleibt bei der bisher vertretenen Auffassung, wonach Erklärungen im Rahmen der Aufgabenstellung der Zwangskörperschaften auch dann zulässig sind, wenn sie sich auf Randbereiche beziehen. Eine Stellungnahme zum Ausbau der Ganztagsbetreuung durch eine Industrie- und Handelskammer soll unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie dem Wunsch der Hessischen Wirtschaft nach besseren Beschäftigungsperspektiven gerechtfertigt sein. Die Forderung zum Ausbau des Frankfurter Flughafens soll auch dann zulässig sein, wenn er sich nicht im Bezirk der Kammer befindet. Die logistische Struktur habe kammerübergreifend herausragende Bedeutung. Die Verkehrspolitik würde zu den Kernbereichen der Industrie- und Handelskammer gehören. Eine Positionierung auf dem Gebiet der Energiewirtschaft soll unter dem Gesichtspunkt der daraus resultierenden Abgabenlast und dem Interesse der Wirtschaft an der Energieversorgung gerechtfertigt sein. Der Aufgabenbereich werde dann verlassen, wenn sich keine nachvollziehbaren Auswirkungen auf die Wirtschaft im Bezirk der Industrie- und Handelskammer ergeben würden. Dies sei bei einer Stellungnahme zur Entwicklung der allgemein bildenden Schulen, der Organisation von Hochschulen, einer Position zum Dienst- und Besoldungsrecht der Hochschulen, aber auch zur Einführung von Studiengebühren der Fall. Hierbei handele es sich um allgemeine bildungspolitische Argumente, die keine unmittelbare Wirkung auf die Wirtschaft im Kammerbezirk hervorzurufen vermögen. Äußerungen von Zwangskörperschaften müssten sachlich und geprägt von der notwendigen Zurückhaltung erfolgen. Es müsse mit der notwendigen Objektivität argumentiert werden. Formulierungen wie „der Wahnsinn muss gestoppt werden“ sind daher unzulässig. Da die IHK die Gesamtinteressen der gewerblichen Wirtschaft im Kammerbezirk vertritt, müssen die Äußerungen zudem eine Abwägung der etwaigen unterschiedlichen Interessen der einzelnen Gewerbezweige erkennen lassen. Hierzu könne gehören, dass ggf. Minderheitenpositionen dargestellt werden. Äußerungen und Stellungnahmen müssten vor einer Veröffentlichung die satzungsmäßig vorgesehenen Verfahren durchlaufen. Nach einer Grundsatzentscheidung könne eine Erklärung auch auf der Grundlage einer Delegierung erfolgen.